Nikolaus Peuckers Scherzgedichte (1650 – 1675)

Der aus Schlesien stammende Peucker war Kammergerichtsadvokat, Kämmerer und Stadtrichter zu Cölln. Der Große Kurfürst hielt viel von ihm. Zeitweilig betätigte er sich auch als Gelegenheitsdichter und beklagte sich, daß ihm die Poesie viel Mühe mache, aber kein Brot bringen würde. Mit seiner im Jahre 1702 erschienen Gedichtsammlung steht er uns als wertvoller Zeitzeuge aus der Zeit nach 1650 gegenüber.

Um seine in Deutsch geschriebenen Gedichte bewerten zu können, sollte man bedenken, daß hundert Jahre zuvor Gedichte in Latein erschienen. 1650 schrieb man mittlerer Weile zwar in Deutsch, aber die Methoden wurden noch mühsam entwickelt. Der bei Germanisten hochgelobte Schottelius verfaßte recht gezierte Gedichte, die er in eine bestimmte optische Form brachte. So wurden die Verse in die Form eines Tannenbaums oder eines auf dem Kopf stehenden Kegels gepreßt.

Nikolaus Peucker benutzte dagegen die uns geläufige Versform. Seine Verse atmen eine angenehme Frische und Natürlichkeit und seine Sprache ist so bildhaft, daß seine Schilderungen wie ein Film an unseren Augen vorbei ziehen. Immer wieder läßt er Bemerkungen zum 30-jährigen Krieg einfließen. Die Erlebnisse haben offenbar tiefe Spuren hinterlassen. In einem Gedicht faßt er kurz und einprägsam zusammen:

Der Bauer sucht die Hintertür,
so bald man saget, ich sei hier,
und läßt mir alles offen stehn,
und mich bei seinem Vorrat gehen.

Drauf sprech ich: alles groß und klein,
ja selbst das ganze Haus ist mein,
das such ich durch, und zünd es an,
wann ich nicht gnugsam finden kan.

Kömmt mir der Bauer in den Wurf,
so jag ich ihn durchs ganze Dorf,
und prügle ihm die Haut so sehr,
bis er bekennet: Hier ist (noch) mehr. …

Er berichtet vom Verfall des Lustgartens und wie herrenlose Tiere dort herumirren und Nahrung suchen:

Die Bäume hatten sich im Garten fast verloren
durch Krieg und dessen Raub: Der Zaun samt zweien Toren
war mehremals verfault: Pferd, Ochsen, Gäns und Schwein
und was man mehr vor Vieh nicht sperrt im Sommer ein,
ging dessen Garten lang, und machte alles eben.

Der Krieg bekam ein Loch, der Friede ward gegeben…
Und nach der Schnur gesetzt: die Alten, die noch stunden,
und nach der Wüstenei des Krieges sich befunden,
vernahmen sich aufs neu und wurden ausgeputzt,
bemistet und behackt…
und bald fings wieder an zu grünen…

Immer wieder wird der „Friede“ bejubelt. Man fühlt unweigerlich, wie befreit die Menschen waren:

Lustig! Wir haben izt Friede bekommen,
sollten gleich alle Soldaten drüm brummen:
Friede, die Mutter der zeitlichen Güter,
füllet mit Freuden der Menschen Gemüter.

Lustig! Der Bauer zieht sicher zu Felde:
Gersten , Roggen hilft wieder zu Gelde:
Weitzen und Erbsen, und Hafer, und Wicken
lassen ihn ferner die Hosen nicht flicken.

Lustig! Der Bürger spazieret im Grünen
neben den Wiesen, dem Labsal der Bienen,
seine Gesellschaft, die Jungfern und Frauen
dürfen sich außer der Mauer izt trauen. …

Als der Große Kurfürst mit seiner Gattin in Berlin Einzug hält, bejubelt auch er ihn:

… Willkommen Augenblick! das Schwesterpaar der Städte
Berlin und Cölln schickt viel Seuftzer und Gebähte,
Mit welchen sie das Chur-vermählte Paar empfängt ….

Als 1655 der erste Sohn geboren wurde, schreibt er ein Wiegenlied:

… Da ward der junge Prinz schon auf die Welt gebracht,
nach den so manches Land bisher trug ein Verlangen. Ein jeder, der da kam geritten, gefahren, gegangen, der schlug die Händ empor, und sprach: Gott Lob und Dank,
die Märker sind erhört! …

Durch ihn wissen wir, daß es 1655 den im Memhardt-Plan gezeigten Neuen Ausfluß gab, dessen Existenz von einigen Berlinforschern vehement bezweifelt wurde.

… Man führt Dich auf den Neuen Berg,
und zeigt Dir Hirsch und Wild,
Die neue Spree, das Schleusenwerk,
und was noch sonst viel gilt …

Peucker beschreibt die Schönheit des Lustgartens, erzählt uns von der Blumenpracht und den bunten Vögeln, die dort zu sehen und zu hören waren. Auch wird von Festen des Hofes berichtet, an denen auch die Bürger teilnehmen konnten, von den Spielen und den Kahnfahrten auf der Spree. Es sind alles nur kurze Skizzen, aber, wenn man sorgsam liest, erfährt man doch viele Einzelheiten, die ein vielfältiges Bild der damaligen Zeit zeichnen. Auch Sozialkritisches fehlt nicht.

Eine Episode zeigt das gute Verhältnis zum Großen Kurfürsten: Ein Berliner fühlte sich durch ein Scherzgedicht Peuckers beleidigt. Es kam zum Prozess. Peucker gelang es nicht, seine Verurteilung abzuwenden. Als letztes Mittel blieb nur noch das Gesuch beim Großen Kurfürsten. Der erklärte sich bereit, das Urteil zu kassieren, wenn Peucker einen entsprechenden Text in Gedichtform verfaßt.

Lit.: Nicolaus Peuckers wohlklingende Paucke. Gedichtsammlung. Herausgegeben von Georg Ellinger, Berlin 1888
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